YOGISCHE REINIGUNGSTECHNIKEN
Kriyas sind im Hatha Yoga körperliche Reinigungstechniken. Sie sollen helfen, den physischen Körper zu reinigen, indem sie auf verschiedene Art und Weise die Ausscheidungssysteme des Körpers anregen und unterstützen. Immer wieder werden diese Übungen in den Yogaschriften auch spirituelle Wirkungen zugeschrieben. Der Körper wird sozusagen vorbereitet auf das „Mehr“ an Energie, das entsteht, wenn man Yoga übt. Wenn der Körper gereinigt ist, werden Energieblockaden beseitigt und die Energiebahnen (Nadis) werden frei. Die Energiezentren (Chakras) werden aktiviert und Energie kann wieder ununterbrochen fliessen.
Auszug aus der Hatha Yoga Pradipika:
“Zuerst sollst du deinen Körper reinigen – den Magen, die Därme, das Nervensystem und die anderen Systeme. Zuerst Shatkarmas mit Neti, Dhauti, Basti, Kapalabhati, Trataka und Nauli. Hiermit beginnt Hatha Yoga.“
In bestimmten Yoga-Richtungen bezeichnen Kriyas auch Übungsreihen. Diese sollen dann z.B. die Kundalini erwecken bzw. deren Aufstieg lenken. Diese Art von Kriyas müssen klar von den hier beschriebenen unterschieden werden.
In der Hatha Yoga Pradipika, einer wichtigen Yoga-Schrift, werden sechs Übungen, hier Shatkriyas oder auch Shatkarmas (Sanskrit, shat, «sechs») genannt, beschrieben. Sie sind die wichtigsten der Kriyas, von denen es aber noch unzählige weitere gibt:
- Trataka (Anstarren eines Objektes aus ca. 1-3 Meter Entfernung)
- Neti (Nasenspülung und Massage der Nasenschleimhäute)
- Kapalabhati (Lungenreinigung durch Schnellatmung, Feueratmung)
- Dauthi (Reinigung des oberen Verdauungskanals)
- Nauli (Darmreinigung)
- Basti (Enddarmreinigung, Einlauf)
Übungsbeispiel einer Nasenspülung: Jala Neti
Die Jala Neti-Übung ist eine Nasenreizung. Sie ist sehr einfach auszuführen und hat dabei eine große Anzahl therapeutischer Wirkungen, so dass diese Übung als eines der wichtigsten Werkzeuge eines Yoga-Therapeuten betrachtet wird. Warmes, leicht gesalzenes Meerwasser wird mit Hilfe eines passenden Gefäßes (Neti-Lota) in ein Nasenloch gegeben, welches durch den nasalen Pharynx und durch das andere Nasenloch wieder herausfließt. Genau das gleiche macht man auf der anderen Seite.
Die warme Salzwasserlösung, die über die mit den olfaktorischen Nerven zusammenhängenden Nervenendungen fliesst, direkt über dem nasalen Rachenraum, wirkt beruhigend und entspannend auf das Gefühlszentrum des Gehirns und entfernt Schleim und Ablagerungen. Es trägt dazu bei, die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern und die Interaktion zwischen dem begründenden und denkenden Teil des Hirns und dem fühlenden Teil zu harmonisieren. Genau diese beruhigende Wirkung beeinflusst auch Kopfschmerz. Dieser direkte Kontakt, der zwischen dem limbischen System und der Medulla Oblongata (dem Teil im Hirnstamm am Ende des Rückenmarks, der für unbewusste Funktionen zuständig ist, wie dem vegetativen Nervensystem, der Steuerung des Blutdrucks, dem Herzrhythmus, der Atmung u.a.), macht Neti zu einem wichtigen Teil der Yoga-Therapie. Durch die Übung werden Nerven stimuliert, welche eine wohltuende Wirkung auf das ganze Gesicht, auf müde Augen, nervöses Augenzwinkern und Gesichtsschmerz haben. Im klassischen Sinne ist Neti eine Vorbereitung für Pranayama; es ist eine dringend notwendige Reinigungsübung, die besonders geeignet ist für Menschen, die in Industriegegenden und stark verschmutzter Umgebung leben. Akkumulierte Giftrückstände werden entfernt, so dass sich diese Gifte nicht erst im System festsetzen.
Merke:
Man kann auch ungesalzenes Wasser einsetzen, damit die energetischen Informationen im Wasser von der Nasenschleimhaut aufgenommen werden können.
Besondere Bedeutung hat die Übung bei der Behandlung von Asthma, Sinusitis, Heuschnupfen und Erkältungen. Bei Erkältung kann man einen Tropfen reines Eukalyptus- oder Pfefferminzöl in das Wasser geben – geradezu wie ein Wunder sind all die unerfreulichen Symptome der Erkältung im Nu aufgelöst, ohne den Ausscheidungsprozess zu unterbrechen, im Gegenteil, er wird erst richtig in Gang gebracht.
Mentalität und Gefühlsschwankungen werden günstig beeinflusst, weil die beiden Nadis oder Nervengänge der vitalen und der pranischen Energie (Ida & Pingala) als Wege des Wassers dienen. Bei Angst und Spannung bis hin zu manischen Zuständen kann das Wasser so warm wie möglich sein; während das Wasser bei Depression und Desinteresse kalt und wenn möglich ohne Salz sein sollte.